Stark durch den Glauben

Wenn's um Religion geht, werden viele Eltern sprachlos. Können sie Drei- oder Siebenjährigen ihren Glauben so mitteilen, dass er sie stark macht?

neue gespräche fragte den Religionspsychologen Bernhard Grom SJ

 

Spielt Religion für Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder heute überhaupt noch eine Rolle?

Die Offenheit von Eltern für religiöse Fragen ist größer, als es der Schwund bei den Gottesdienstbesuchern vermuten lässt. Allerdings ist diese Offenheit mit einer ausgeprägten Unsicherheit verbunden. Anders als in volkskirchlichen Zeiten steht dahinter keine regelmäßige Praxis mit Verpflichtungscharakter; stattdessen erscheint das Bemühen vieler Eltern eher als Probieren und Tasten. Doch es lohnt sich, dieses Suchen zu unterstützen und mit ihnen zusammen zu überlegen, wie sie den Glauben so zur Sprache bringen können, dass die Kinder ihn als Lebenshilfe erfahren können.

Wie kann das gehen?

Eltern erklären oft ungeplant dies und das, wie eben Kinderfragen im Erziehungsalltag auftauchen, wenn das Kind beispielsweise wissen will, wer da am Kreuz hängt oder wer »Gott« ist. Diese Antworten können ein erstes Wissen über christliche Auffassungen und Symbole vermitteln. Auch das Abendgebet, die Teilnahme an Familiengottesdiensten und die Pflege christlichen Brauchtums rund um das Kirchenjahr können die Sinne der Kinder ansprechen und dem Zusammenleben einen rituellen Rahmen geben. Das ist schon sehr viel. Und doch wird dies eine lebendige Beziehung zu Gott und Jesus, die als Lebenshilfe wirkt, noch nicht erschließen. Es ist zudem nötig, in einzelnen Schwerpunkten über Gott nachzudenken und zum Sprechen mit ihm anzuleiten — entsprechend dem kognitiven Verständnis und den emotionalen Bedürfnissen des Kindes.

Das klingt sehr anspruchsvoll und nicht gerade ermutigend!

Viele Eltern fühlen sich in der Tat entmutigt. Denn selbst Familien, in deren Alltag die allgemeine Kommunikation zwischen Eltern und Kindern gut entwickelt ist, sind oft bei religiösen Themen sprachlos. Aber Eltern müssen sich ja nicht als perfekte Christen präsentieren oder in der traditionellen kirchlichen Verkündigungssprache reden. Sie haben das Recht, ihre religiösen Gedanken und Gefühle in eigenen Worten auszudrücken. Sie können das auch üben, beispielsweise in einem Eltern- oder Bibelkreis — auch wenn sie sich anfangs selbst wie buchstabierende Erstklässler vorkommen. Sie müssen ihrem Kind auch keine langen Vorträge halten; eine persönliche Bemerkung und eine Anregung genügen meistens.

... die sich am Verständnishorizont des Kindes orientieren?

Das kognitive religiöse Verstehen des Kleinkindes sollte man weder unterschätzen noch überfordern. Man kann mit guten Gründen annehmen, dass man im Zusammenhang mit der Woher-Frage beim dreieinhalb- bis viereinhalbjährigen Kind ein erstes Verstehen unseres Sprechens vom Schöpfer- Gott anregen kann. Das Gottesverständnis, das ein Kind dann zwischen dreieinhalb und etwa sieben Jahren aufbaut, unterscheidet sich zwar vom reifen Gottesbegriff eines Erwachsenen. Aber es enthält eine ernst zu nehmende, entwicklungsfähige Einsicht, die eben dem Alter angemessen ist. Die Gottesvorstellung des Kleinkindes hat zunächst etwas Märchenhaftes an sich, weil es noch nicht klar zwischen »bloß vorgestellt« und »durch logisches Schlussfolgern erkannt« unterscheidet; sie enthält anfangs auch oft massiv anthropomorphe Züge, was sich in scheinbar drolligen Fragen zeigt, aber dem kleinkindlichen Denken entspricht. Wenn man mit Kindern einfühlsam über den Glauben spricht und ihnen behutsam Anstöße zum Überdenken ihrer religiösen Auffassungen vermittelt, werden sie im Laufe des Grundschulalters und danach allzu menschliche Gottesvorstellungen aufgeben und durch angemessenere ersetzen.

Nun sind Eltern aber keine Religionspädagogen...

Natürlich nicht. Aber es ist wichtig, dass sie wahrhaftige Antworten geben, hinter denen sie als Personen stehen. Antworten, die sie nicht — in einer späteren Phase — als falsch relativieren müssen, sondern die sie weiterführen können.

In ihrer »Religionspädagogischen Psychologie« schreiben Sie, dass Eltern ihren Kindern bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben so etwas wie »transsoziale Unterstützung« geben können. Können Sie das konkreter machen?

Nehmen Sie zum Beispiel die Fähigkeit zur Sammlung und zum inneren Selbstgespräch. Diese Entwicklungsaufgabe umfasst die doppelte Fähigkeit, bei bestimmten Erlebnissen seine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen mit gesammelter Aufmerksamkeit wahrzunehmen und seine Gefühle im Sinne einer Emotionsregulation und Selbststeuerung zu verarbeiten und zu beeinflussen — sich etwa bei Trauer etwas Tröstendes sagen, Misserfolgserlebnisse relativieren, die Vor- und Nachfreude pflegen. Eltern können die Gebetskultur des Kindes auf diesem »inneren Selbstgespräch« aufbauen und ein Gebet einüben, das mit ihm beginnt (»Wie fühle ich mich?«) und dann in das Gespräch mit Gott einmündet. Dazu können sie begleitend eine Konzentrations- und Meditationsübung machen, von der aus das Gebet als eine Sammlung verständlich wird, die eben den Dialog mit Gott zum Inhalt hat. Beispielsweise kann das Abendgebet als Abschluss und Meditation des Tages mit folgenden Schritten gestaltet werden:

  1. Still werden und sich sammeln.
  2. Tagesschau I: Was hat mich heute geärgert und bedrückt? Was will ich mit anderen Menschen besprechen und wo auch Gott bitten, dass ich den rechten Weg erkenne und Kraft und Mut finde?
  3. Tageschau II: Was hat mich heute gefreut? Wofür bin ich dankbar, den Mitmenschen und auch Gott? Was will ich davon mitteilen?

Oder schauen wir auf den Aufbau von Selbstwertgefühl. Von der Kindheit bis ins Alter muss der Mensch über die Wertschätzung, die ihm Bezugspersonen schenken, aber auch durch realistisches Selbstlob lernen, sich selbst zu achten, über seinen Schwächen seine Fähigkeiten nicht zu vergessen und sich seiner Rechte bewusst zu sein. Auch von dieser Entwicklungsaufgabe aus lässt sich eine religiöse Mit-Erfahrung erschließen: dass wir mit der Zuwendung der Menschen und über sie hinaus auch ein übermenschliches Ja erfahren können. Eltern können davon sprechen, dass wir uns manchmal unverstanden und verzagt fühlen, und dazu ein Beispiel erzählen. Dann können sie mit dem Kind überlegen, was man denn alles tun kann, um wieder einen (Aus-)Weg zu finden. Schließlich könnten sie etwa sagen: »Wenn ich überlege, wie ich aus einer solchen Not herauskommen und wer mir dabei helfen kann, denke ich auch an Gott und bete: >Du bist immer bei mir, gleich, ob Menschen mich verstehen oder nicht, ob es mir gut geht oder schlecht. Gib mir Mut, dass ich kämpfe mit allen meinen Kräften, und lass mich auch Menschen finden, die mir helfen. Mit dir bin ich nie allein.«< Viele Eltern tun dies auch.

Haben Sie noch weitere Beispiele?

Ein weiterer Bereich ist die Entwicklung einer positiven Lebenseinstellung. Das ist die Fähigkeit, sich über die großen und kleinen positiven Ereignisse des Lebens zu freuen, statt ausschließlich zweckgerichtet, gefühlsarm oder blasiert zu reagieren. Der gläubige Blick auf die Schönheit der Schöpfung und die Verehrungswürdigkeit ihres Urhebers kann — das belegen Kindheitserinnerungen — diese Entwicklungsaufgabe vertiefen. Die in Lobpreis einmündende Zustimmung zum Leben kann man besonders leicht bei einer Feier aussprechen, sei es ein Erntedankfest, ein Geburtstag oder ähnliches. Man kann aber auch an eine Positiverfahrung anknüpfen, die man mit dem Kind bespricht — das Sehen, das Hören, die Geschicklichkeit der Hände, Dinge der Natur — und die es vielleicht auch malt. Und dann erwähnen, dass wir sie einem ganz Guten und Großen verdanken, den wir Gott nennen. Er schenkt sie uns, damit wir uns freuen und sie miteinander teilen. Diesen Lobpreis kann man auch mit einem Psalmvers oder einem Lied verbinden.

Kinder besitzen, um noch einen weiteren Bereich anzudeuten, eine Bereitschaft zu prosozialem Empfinden und Verhalten, zu Einfühlung, Mitgefühl, Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft, und die Erziehung sollte das fördern. Der Glaube versichert uns nun, dass in den Augen Gottes jeder Mensch einen unbedingten Selbstwert besitzt und dass uns Jesus zum Mitwirken und Mitlieben einlädt. Dieser Gedanke kann Kinder stark ansprechen. Darum könnten Eltern an eine Erfahrung anknüpfen, die für die soziale Erziehung des Kindes gerade wichtig ist, und ihm dann bedeuten, dass wir mit prosozialem Verhalten nicht nur dem Nächsten, sondern auch Gott, dem »Vater aller«, Freude machen.